1. Die falsche Preisvorstellung
Wenn man vorher noch nie selbstständig war und auch in seinem näheren Umfeld keine Selbstständigen hat, hat man oft eine falsche Vorstellung davon, was ein angemessener Preis für die eigene Leistung ist.
Was ich immer wieder erlebe, ist, dass Freelancer:innen auf ihre angestellten Kolleg:innen schauen und denken, ihr Stundensatz wäre vergleichbar mit einem Stundenlohn im Angestelltenverhältnis. Bevor wir als Freelancer:innen Kunden gewinnen, sollten wir uns erstmal damit auseinandersetzen, was wir eigentlich verdienen müssen, damit wir gut davon leben können. Bedenke dabei, dass Du Rücklagen bilden solltest, deine Krankenversicherung bezahlen musst und auch die Einkommenssteuer noch abgezogen wird. Nicht zu vergessen Deine Altersvorsorge, um die Du Dich selbst kümmern musst.
Als Selbstständige sollten wir zunächst darüber nachdenken, was wir in einer Arbeitsstunde verdienen müssen, um all diese Faktoren zu berücksichtigen. Unabhängig davon, ob Du letztlich nach Stunden abrechnest, ist ein interner Stundensatz ein wichtiges Werkzeug, um deine Preisgestaltung laufend auf Profitabilität zu überprüfen. Der Stundensatz ist Deine Basis zur Selbstkontrolle für all Deine Angebote.
Ein guter Stundensatz, berücksichtigt als Basis Dein angestrebtes Einkommen. Hier kannst Du ein vergleichbares Netto-Einkommen für Deine Qualifikation bzw. dein Level (Junior, Mid, Senior) nehmen. Der Stundensatz setzt sich letztlich aus Deinen abrechenbaren Stunden (berücksichtige hier potenzielle Krankentage, realistische Auslastung und Urlaubstage) und einem Zusatz für Rücklagen und dem Arbeitgeberanteil für Sozialversicherungen zusammen. Am besten nutzt Du z.B. einen Stundensatzrechner, der Dir die Rechenarbeit abnimmt.
Mit einem angemessenen Stundensatz kannst Du Rücklagen bilden, in Deine Altersvorsorge einzahlen und hast nach Abzug von Steuern ein, Deiner Qualifikation angemessenes, Monatsgehalt.
2. Keine Rücklagen bilden
Als Freelancer:in sollten wir früh lernen, unser Einkommen zu differenzieren. Nur weil eine Kundin oder ein Kunde gerade eine 5.000 Euro Rechnung bezahlt hat, haben wir deshalb keine 5.000 Euro verdient.
Zunächst solltest Du immer den Umsatzsteueranteil im Blick haben. Da du diesen auf Deiner Rechnung ohnehin ausweist (außer du bist umsatzsteuerbefreit), kannst Du Dir recht einfach einen Überblick verschaffen, wie viel Du dem Finanzamt höchstens schuldest. Je nach Intervall, in dem du Deine Umsatzsteuervoranmeldung angeben musst, ist dieser Anteil meist recht schnell wieder von Deinem Konto verschwunden.
Oft ist es die Einkommensteuer, die bei (gerade frischen) Selbstständigen für eine böse Überraschung sorgt. Spätestens wenn der Einkommensteuerbescheid kommt, merkt man, dass man eigentlich gar nicht so viel verdient hat, wie vielleicht zunächst gedacht. Umso wichtiger ist, dass du Dir einen Überblick verschaffst, wie viel Einkommensteuer Du mindestens zurücklegen solltest. Am besten hast du sogar ein eigenes Konto (bzw. virtuelles Unterkonto) für Deine Steuerrücklagen, damit Du diese nicht anfasst. Eine entsprechende Steuereinschätzung ist in vielen Buchhaltungstools inzwischen mit dabei. Neben den notwendigen Steuerrücklagen ist es auch sinnvoll, eine allgemeine Rücklage zu bilden, auf die Du zurückgreifen kannst, wenn Rechnungen mal verspätet gezahlt werden oder die Auftragslage schlecht ist. In guten Zeiten solltest Du für die schlechten vorsorgen.
3. Bauchladen statt Spezialisierung
Diesen Fehler habe ich zu Beginn meiner Selbstständigkeit auch gemacht. Statt mich zu spezialisieren, habe ich meinen Kunden diverse Leistungen angeboten. SEO, Webdesign, Entwicklung, Logodesign und mehr.
Die Kundengewinnung gestaltet sich sehr viel angenehmer, wenn Du eine klare Positionierung hast und gut kommunizierst, welches Problem Du bei Deinen Kunden löst. Wer jeden anspricht, spricht am Ende niemanden an. Alle erfolgreichen Freelancer:innen, mit denen ich gesprochen habe, hatten eines gemeinsam: Sie haben sich auf eine Leistung spezialisiert, die bei ihren Kunden möglichst viel Impact hat, und sind in ihrer Nische bzw. ihrem Fachgebiet zur Expertin bzw. zum Experten geworden.
Versetze Dich einmal in die Lage einer Entscheiderin oder eines Entscheiders und stell Dir vor, Du müsstest die geeignete Freelancer:in aus 2 Menschen aussuchen. Wen wählst Du? Jemanden, der auf seiner Website diverse Leistungen (unter anderem die gesuchte) anbietet oder jemanden, der sich speziell auf die gesuchte Leistung spezialisiert hat und dessen Portfolio, die Expertise darin widerspiegelt?
4. Selbst und ständig
Freelancing ist, was Du daraus machst. Du kannst als Freelancerin absolut das Klischee einer Selbstständigen erfüllen, die permanent in ihrer Arbeit versunken ist und nie abschalten kann. Aber ist das nachhaltig? Für die wenigsten von uns. Manche Anekdoten meiner Podcast-Gäste berichten von Burnouts, Depressionen und existenziellen Krisen. Aber auch von nie dagewesenem Freiheitsgefühl und beruflicher Erfüllung.Der Unterschied liegt oft in simplen Gewohnheiten und Grenzen.
Folgendes hat sich bei mir und meinen Gästen bewährt:
1. Schaffe dir eine klare Routine, die Raum für Auszeiten lässt.
2. Setze Deinen Kunden klare Grenzen zur Kommunikation, den Geschäftszeiten etc.
3. Finde Kolleginnen und Kollegen, die im selben Boot sitzen und mit denen Du Dich austauschen kannst.
4. Verkaufe nicht mehr Stunden, als Du tragbar leisten kannst - Wenn Du Dein Einkommen steigern möchtest, ist der Hebel nicht die Zeit, sondern das Preismodell.
5. Finde einen Ausgleich zur Selbstständigkeit.
6. Wenn Du im Homeoffice unglücklich bist, teste Coworking.
5. Das Bauchgefühl ignorieren
Oft wissen wir instinktiv schon ganz gut, ob eine Zusammenarbeit sich einfach oder eher kompliziert gestalten wird. Mir ging es zumindest häufig so, dass ich im Vorgespräch zu einem Auftrag schon dachte: „Das könnte noch schwierig werden“. Viele Male habe ich nicht auf mein Bauchgefühl gehört und mich trotzdem auf das Projekt eingelassen. Viele Male hat mich das sehr viel Zeit und Nerven gekostet.
Besonders für uns Freelancer:innen sind Konflikte in Aufträgen extrem unvorteilhaft. Wir ziehen leider oft den Kürzeren, wenn es Uneinigkeit gibt, wir hinter unserem Geld hinterherrennen müssen oder ein Kunde sich querstellt.
Neukunden sind für mich immer ein Risiko, das ich mit den Jahren aber immer weiter minimieren konnte. Ich höre jetzt immer auf mein Bauchgefühl und verzichte lieber auf finanziell lukrative Projekte, wenn ich mir unsicher bin, ob ich mit dem:der Kund:in klarkomme.
Bei Neukund:innen ist es unabhängig davon immer sinnvoll, eine Anzahlung zu nehmen und ein wenig Geld in gute AGB zu investieren, die Dich im Konfliktfall besser absichern. Auch dann, wenn Du ein gutes Gefühl hast. Je weiter du in Vorleistung gehst, umso höher Dein Risiko.